Grünfassaden: Natur in der Stadt
Grüne Fassaden generieren einen „atmenden Stadtraum“ und fördern die Biodiversität im urbanen Raum.
Durch ihre verschattende Wirkung nimmt eine begrünte Fassade weniger Energie auf, was dazu führt, dass weniger Wärme ins Gebäude transportiert wird. Das reduziert die Kühllasten in den Innenräumen und hilft dabei, Überhitzungsphänomene zu vermeiden. Darüber hinaus strahlen Grünfassaden weniger Wärme an ihre Umgebung ab, wodurch die Gefahr einer Überhitzung der Umgebung reduziert wird.
Die Sonnenenergie, die durch eine Grünfassade „abgefangen“ wird, nutzen die Pflanzen zu über 90% zur Verdunstung. Weil der Energieverbraucht bei der Verdunstung von Wasser sehr hoch ist, entsteht durch das „Abfangen“ von Wärme eine kühlende Wirkung.
Grüne Moos-, Gras- oder Blattflächen haben nicht zuletzt den positiven Effekt, dass sie beruhigend auf den Menschen wirken!
Begrünte Fassaden bieten einen deutlichen Mehrwert, führen aber auch zu leicht erhöhten Investitionskosten. Zusätzliche Kosten entstehen für Pflege und Instandhaltung sowie (je nach Ausführung) zusätzliche Lasten für das Tragwerk. In der Planungsphase sind daher unterschiedliche spezifische Anforderungen zu berücksichtigen, die eine Begrünung mit sich bringt. Hierzu gehören Brandschutz, Integration der Versorgungstechnik, Frost- und Hitzeschutz sowie der Höhenzugang zur Wartung und Pflege durch die Gärtner.
Anhand von drei ausgewählten Grünfassaden soll im Folgenden näher erläutert werden, welches die Besonderheiten bei der Planung und Realisierung sind, und wie diese angemessen berücksichtigt werden können.
Grünfassaden-Beispiel: Calwer Passage, Stuttgart
Der Neubau der Calwer Passage in Stuttgart hat eine Länge von über 130 Metern und beherbergt neben Büros in den Obergeschossen auch Wohnungen sowie Flächen für Handel und Gastronomie. An den straßenzugewandten Fassadenseiten wurden intensiv begrünte Bänder entlang der Obergeschosse sowie Dachgärten angelegt.
Die Fassadenbegrünung besteht aus einer tragenden horizontalen Stahl-Unterkonstruktion entlang der opaken Brüstungsbänder. Hier werden die vorkultivierten Pflanzen in Innentrögen eingesetzt. Diese begrünten Bänder sind geschossweise übereinander angeordnet und untereinander mit vertikalen Rankhilfen vor den verglasten Flächen verbunden. Es ist also keine kleinteilige vertikale Begrünung entlang einer Wandfläche, sondern eine dem Gebäude vorgelagerte Konstruktion mit Pflanzgefäßen beachtlichen Ausmaßes.
Die Großgehölze der Dachbegrünung auf der Calwer Passage erreichten bei der Montage im Mai 2021 bereits Höhen bis 10 m und wogen bis zu 7 t. Später sollen sie Kronenhöhen von bis zu 15 m erreichen.
Überschüssiges Wasser wird gesammelt
Die Be- und Entwässerung der Pflanzgefäße ist in diese Konstruktion integriert, die gleichzeitig auch den Zugang für die Gärtner, beispielsweise für die Pflege und den Beschnitt der Pflanzen, bietet. Ergänzt werden die Grünfassaden durch die intensive Begrünung der Dächer unter Einsatz verschiedenster Gehölze und großgewachsener Baumarten. Die Pflanzgefäße selbst geben überschüssiges Wasser über Öffnungen nach unten ab. Von dort wird es kontrolliert abgeleitet und gesammelt.
Zur Versorgung der Pflanzen wird zusätzlich eine Bewässerungsanlage eingesetzt; die Überwachung erfolgt u.a. über Feuchte- und Temperaturfühler, die innerhalb der Fassaden an ausgewählten Punkten angebracht sind. Die Anlage kann voll automatisiert betrieben werden, wird natürlich aber auch von erfahrenen Gärtnern überwacht.
Die Pflanzen, die an der Fassade eingesetzt werden, wurden bereits vor Beginn des Rohbaus kultiviert, damit sie beim Einsatz in Stuttgart eine gewisse Größe und Robustheit erreicht haben.
Grünfassaden-Beispiel: KII, Düsseldorf
Das trapezförmige, sechsgeschossige Büro- und Geschäftsgebäude bildet zusammen mit dem gegenüberliegenden „Food Court“ ein begrüntes städtebauliches Ensemble. Das Gebäude ist mit über 30.000 Hainbuchen bepflanzt – ein absolutes Novum in Europa. Die Hecken sind in einem Art Trog in Trog-System eingesetzt. Die Trogreihen sind dabei so zueinander versetzt, dass eine natürliche Versorgung der Pflanzen mit Sonnenlicht und Regenwasser gewährleistet ist. Zur Gewährleistung eines angemessenen Höhenzugangs für den Beschnitt und die Pflege der Pflanzen in der Fassade wurden Wartungsstege und Sicherungssysteme für die Gärtner installiert. An Stellen, an denen kein Platz für Wartungsstege gegeben war, wurde ein Befahrsystem entlang der Trogreihen installiert.
Entwurfsskizze für die Tragkonstruktion des Trogsystems der Grünfassade am KII.
Absolutes Novum und Herausforderung: 30.000 Hainbuchen
Um die Anzahl der Durchdringungen der gedämmten Gebäudehülle möglichst gering zu halten, wurde für die Grünfassade eine spezielle Unterkonstruktion mit Zwischenträgern in der Dämmebene entwickelt. Eine Blechbekleidung oberhalb der Dämmung und Abdichtungslage fungiert als Wetterschutz und lässt herabgefallene Blätter und Äste wie auf einer großen Rutsche nach unten gleiten. Im Erdgeschoss wird das Grüngut in großvolumigen Rinnen gesammelt und durch die Landschaftsgärtner entnommen.
Die Hecken wurden über einen längeren Zeitraum in einer Baumschule vorkultiviert und zur Montage in den Innentrögen nach Düsseldorf geliefert. Die Fassadenaufbauten beinhalten Versorgungsysteme für Bewässerung, Düngerbeimischung und Entwässerung. Die installierte Technik regelt sich zum Teil selbsttätig auf Basis von Informationen zu Feuchte, Temperatur etc., die über die Fassade verteilte Sensoren liefern. Darüber hinaus wird die Fassade in regelmäßigen Abständen von erfahrenen Gärtnern begutachtet und gepflegt.
Grünfassaden-Beispiel: Q20, Stuttgart
Im Stuttgarter Neckar Park entsteht auf einer Gesamtfläche von ca. 25 Hektar ein neues Wohn- und Gewerbegebiet. Das Ensemble Q20 besteht aus drei oberirdischen, nicht orthogonalen Gebäudeteilen sowie einer gemeinsamen Tiefgarage. Die begrünten Fassaden und Dächer, insbesondere zu dem öffentlich zugänglichen Hof der drei Gebäude, sollen ein „grünes Tal“ bilden. Die Gebäude verjüngen sich in diesem Bereich nach oben hin und ermöglichen so eine optimierte Tageslichtnutzung bei gleichzeitiger Umsetzung des kommunal geforderten Grünanteils in der Fassade durch großvolumige Pflanztröge.
Die Regenwassernutzung durch Retentionskörper rundet die nachhaltige Quartiersentwicklung ab.
Pflanzenauswahl aus einer Vielzahl verschiedener Arten
Eine Begrünung mit großformatigen, vorkultivierten Pflanzen ist konstruktiv sehr viel anspruchsvoller als ein bodengebundenes System. Um den Aufwand für die Unterkonstruktion zu begrenzen, wird bei Q20 für die Pflanztröge der Grünfassaden hauptsächlich die Lastabtragung durch das Gebäude-Tragwerk selbst angestrebt.
Die zum Teil kaskadenförmige Anordnung kommt dem entgegen; zur Sicherung der Tröge hinter der vorgehängten hinterlüfteten Fassade in den Brüstungsbändern werden diese nur noch in der Lage gesichert. Bestandteile der Begrünung bei Q20 werden neben den bepflanzten Trögen, Rankhilfen, Versorgungsysteme mit Sensorik zur Überwachung und Entwässerung sein. Ähnlich wie bei der Grünfassade der Calwer Passage wird auch hier die Pflanzenauswahl aus einer Vielzahl verschiedener Arten getroffen.
Video: Die ökologische und funktionale Bedeutung von begrünten Fassaden
Möchten Sie mehr über die Bedeutung von Grünfassaden und deren Technik erfahren? Dann schauen Sie sich doch auch die folgenden Videos auf unserem YouTube-Kanal an – es lohnt sich auf jeden Fall. Im ersten Video spricht unser Vorstand Roland Bechmann über die ökologische und funktionale Bedeutung von begrünten Fassaden.
Im zweiten Video erklärt Florian Starz (Teamleiter Fassade der Werner Sobek AG), wie er und sein Team aus Ingenieuren und Architekten dazu beigetragen hat, einige der größten grünen Fassaden der Welt zu entwickeln.